Zurück in die Zukunft

Klimaschutz vs. Wachstum: Das Ende des Kapitalismus – taz Salon mit Ulrike Herrmann

Am 25.10.2022 lud die taz-Nord-Redaktion zum taz Salon ins Haus 73 auf dem Schulterblatt ein, um mit Ulrike Hermann ihr neues Buch zu diskutieren: „Das Ende des Kapitalismus: Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind – und wie wir in Zukunft leben werden“.

Die gebürtige Hamburgerin und ausgebildete Bankkauffrau schreibt seit 2000 für die taz, zuletzt als Wirtschaftskorrespondentin. In ihren Publikationen beschäftigt sie sich insbesondere mit der Analyse und Kritik des Kapitalismus. Zu ihren Bestsellern gehören unter anderem „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), „Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie – oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können“ (Piper 2018).

In ihrem neuen Buch, das am 8. September 2022 bei Kiepenheuer&Witsch erschienen ist, erläutert sie gewohnt scharf und aufrüttelnd die Folgen und ProbleBuch - Das Ende des Kapitalismus - Ulrike Herrmann.jpgme, die der Kapitalismus mit seinem Wachstumszwang für die Menschheit und den Planeten darstellt. Erstmals schlägt die Autorin jetzt aber eine mögliche Lösung für den „geordneten Ausstieg“ aus dem Kapitalismus vor: Die britische Kriegswirtschaft von 1939.
Dazu muss sie aber erst ein wenig ausholen und einige Fragen klären. Zum Beispiel: Warum müssen wir überhaupt aus dem Kapitalismus aussteigen? Können wir nicht einfach auf das in der Politik und Wirtschaft so populäre „grüne Wachstum“ setzen? Nun ja, die kurze Antwort ist: Die Energie wird nicht reichen.

Herrmann sieht sich selbst nicht als grundsätzliche Kapitalismus-Kritikerin. Als dynamisches Wirtschaftssystem hat es uns in Deutschland Wohlstand und Frieden beschert. Um stabil zu bleiben, erzeugt und benötigt der Kapitalismus aber konstantes Wachstum, das uns mittlerweile an die planetaren Grenzen bzw. darüber hinausgetrieben hat. Weil der Ressourcenverbrauch in Deutschland dreimal höher ist als die biologische Kapazität und Regenerationsfähigkeit der Erde, leben wir zum Großteil auf Kosten anderer Länder, bzw. auf Kosten zukünftiger Generationen. Dieser ressourcenintensive Lebensstil basiert immer noch hauptsächlich auf fossilen Energieträgern. Auch wenn wir Energie immer effizienter nutzen können, verhindern Wirtschaftswachstum und Konsumsteigerungen einen tatsächlichen Verbrauchsrückgang.[1] Dieser immense, endlos wachsende Energiehunger wird sich laut Hermann nicht vollständig durch den Einsatz erneuerbarer Energien decken lassen. Fehlende Technologie und Zeitdruck werden grüne Energie in Zukunft knapp und teuer werden lassen. Und der neoliberale Traum von „grünen Wachstum“ wird früher oder später platzen. Das wäre auch das Ende des Kapitalismus.

Damit sich der Wachstums-Traum nicht sofort in einen Albtraum, in Form eines totalen Systemzusammenbruchs inklusive Aufstieg eines rechtsradikalen Diktators verwandelt, gibt es für Ulrike Herrmann nur eine Lösung: Die Einführung einer demokratischen, privaten Planwirtschaft mit dem Ziel, Wirtschaft und Konsum nachhaltig zu schrumpfen. Als historisches Vorbild nimmt sie hierfür die britische Kriegswirtschaft von 1939. Denn zu Kriegsbeginn sahen sich die Briten gezwungen, ihre Friedenswirtschaft schnellstmöglich zu schrumpfen, um Militärausrüstung herstellen zu können. Dies wurde erreicht, indem die Fabriken in privater Hand blieben, während die Produktionsziele von Waffen und Konsumgütern staatlich vorgegeben und die Verteilung der Lebensmittel öffentlich organisiert wurde. Es gab keinen Mangel, aber es wurde rationiert.[2] Diese Planwirtschaft, in diesem Fall dann nicht Kriegs- sondern eher „Überlebenswirtschaft“ bzw. „Klimawirtschaft“, würde einen geordneten Rückbau des Kapitalismus ermöglichen und damit, so die Hoffnung, den Klima- und Wirtschaftskollaps verhindern.

Und wie würde dann unsere Zukunft aussehen? Herrmann beruhigt: Diese „Klimawirtschaft“ wird uns keineswegs zurück in die Steinzeit führen. Würden wir auf 50 % unserer Wirtschaftsleistung verzichten, wären wir immer noch so reich wie 1978. Zeitzeugen stimmen ihr zu – uns gings doch auch gut, damals! Klar, vieles wäre anders als jetzt. Und anders als damals. Wir müssen uns zusammen entscheiden, wofür wir die knappe klimaneutrale Energie einsetzen wollen. Eines ist sicher: Für das Fliegen wird sie nicht reichen, für das private Auto auch nicht. Und der Fleischkonsum muss sowieso drastisch reduziert werden. Es gibt viele Visionen wie diese klimaneutrale Kreislaufwirtschaft aussehen könnte, in der nur noch so viel verbraucht wird, wie sich recyceln lässt. Stichworte sind unter anderem Tauschwirtschaft, Konsumverzicht, Arbeitszeitverkürzung, bedingungsloses Grundeinkommen oder Gemeinwohl-Ökonomie. [3] Jetzt müssen wir nur noch einen Weg finden, wie wir diese Zukunftsvisionen schnell Wirklichkeit werden lassen können!

Kirsten Stubenrauch, Gemeinwohl-Ökonomie Hamburg


[1] https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/primaerenergieverbrauch#primarenergieverbrauch-nach-energietragern

[2] https://taz.de/Abschied-vom-Wachstum/!5629125/

[3] https://taz.de/Kapitalismus-und-Klimaschutz/!5879301/