Gründung ethischer Startups – Gemeinwohlorientierung von Anfang an?

Wie wäre es, wenn ein Unternehmen gegründet wird, nicht um finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen oder selbstbestimmt arbeiten zu können, sondern mit dem obersten Ziel, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen?

Utopie…?! Denkste!

Im letzten GWÖ-Salon am 18.11.21 im Impact Hub Hamburg haben wir drei sehr interessante Menschen kennengelernt, die uns nicht nur gezeigt haben, dass dies möglich ist, sondern auch, dass mittlerweile ganze Bewegungen und Netzwerke existieren, die genau nach diesem Grundsatz leben und handeln. Das Impact Hub Hamburg liegt in nächster Nähe zur Reeperbahn und ist ein Gebäude, welches kleinen Unternehmen und Start-Ups, die einen gesellschaftlich-ökologischen Beitrag leisten wollen, Büroflächen zur Verfügung stellt. Die Grundidee besteht darin, kollaborative Zusammenarbeit und ein Netzwerk zwischen den Unternehmen zu schaffen. Darüber hinaus finden regelmäßige Veranstaltungen zu gesellschaftlich relevanten Themen statt. Das Impact Hub Hamburg ist dabei nur eines von über 100 Impact Hubs mit mehr als 16.000 Mitgliedern, die weltweit vernetzt sind. In diesem hochmodernen Gebäude hatten wir, gut versorgt mit allerlei Getränken und Schokolade (!.. dazu später mehr), einen wirklich netten und sehr interessanten Abend. Die Veranstaltung fand nicht wie üblich als Vortrag statt, sondern als Podiumsdiskussion mit Moderation.

Die Podiumsgäste

Enno Schröder – Goldeimer gGmbH

Die Goldeimer gGmbH verkauft Toiletten. „Was das mit Gemeinwohl zu tun hat?“ fragt man sich vielleicht in einem Land, in dem konventionelle Sanitäranlagen alltäglicher sind, als die Banane im Supermarkt. Doch man muss nur mal genauer hinschauen:

„Unter dem Klodeckel tun sich so einige Herausforderungen auf: Humusschwund, Phosphor-Peak, tödliche Durchfallerkrankungen bei Kleinstkindern, Kontamination von Wasser, Open Defecation, Hormone im Trinkwasser, Degradation der Böden – die Liste der Probleme im Zusammenhang mit nicht vorhandener und konventioneller Sanitärversorgung ist lang.“ So heißt es auf der Webseite.

Goldeimer verkauft Trockentoiletten und ökologisches Toilettenpapier und kümmert sich auch um nachhaltige Entsorgung, bzw. Weiterverwendung (Düngemittel, etc..) der Entledigungen. Die größten Abnehmer der Trockentoiletten sind derzeit Festivals und andere Großveranstaltungen auf dem Land. Das große Ziel ist es, mit ihren Produkten auch dort zu helfen, wo die großen Probleme sind. Und eines haben Enno und sein Team vor einiger Zeit, u.a. auch im Zuge ihrer Gemeinwohl-Bilanzierung, die sie in diesem Jahr abgeschlossen haben, gelernt. Gemeinwohl bedeutet nicht nur der Arbeitseinsatz für eine bessere Welt. Gemeinwohl bedeutet auch, sich um sich selbst zu kümmern. Gute Arbeitsbedingungen für sich und das Team zu schaffen. Und Solidarität und Transparenz im Unternehmen zu leben. Die strukturierte Sichtweise des Bilanzierungsprozesses der GWÖ wollen Enno und sein Team nun fest bei Goldeimer verankern. „Es geht jetzt darum, ein GWÖ-Controlling aufzubauen, d.h. die Unternehmensprozesse so zu gestalten, dass eine GWÖ-Bilanzierung nicht mehr bedeutet, dass man alles auf den Kopf stellen muss. Dafür wird in Kürze ein internes Tech-Team im Unternehmen gegründet.“, erklärt Enno.

Darüber hinaus hat sich Goldeimer entschlossen, ein Purpose-Unternehmen zu werden: 51% der Gesellschaft gehört den Mitarbeitern, die dadurch die Ausrichtung und Entwicklung des Unternehmens selbst bestimmen können.

Laura Haverkamp – Ashoka Deutschland gGmbH

Ähnlich wie das Impact Hub ist auch Ashoka – Innovators for the Public ein globales Netzwerk, das Menschen vernetzt, um soziale Transformation zu ermöglichen. Ashoka sucht und fördert weltweit Menschen mit sogenannten systemverändernden neuen Ideen. Das heißt, es geht der Organisation um die Umsetzung innovativer Ansätze zur Überwindung gesellschaftlicher Herausforderungen. Social Entrepreneurs beschreibt Ashoka auf seiner Website so:

„Am Beginn jeder großen Veränderung stehen Menschen, die ein Problem erkennen, es verstehen und mit innovativen Ideen sowie Unternehmer*innengeist für die Gesellschaft aktiv werden. Das sind Social Entrepreneurs. Ihre Ansätze nehmen ganze gesellschaftliche Systeme in den Blick; sie zielen auf die Veränderung bestehender Paradigmen zum Wohle aller.“

Es geht um den „Spirit“, gesellschaftliche Veränderungen nicht nur zu fordern sondern auch umzusetzen. Ashoka Deutschland ist ein Sammelpunkt für diese Transformationsentwicklung. Sie vernetzt die Menschen und ihre Ideen miteinander, unterstützt bei der Umsetzung und entwickelt daraus Initiativen, um die Rahmenbedingungen für Social Entrepreneurs zum Besseren zu verändern. Zum Abschluss hielt Laura noch ein kurzes, aber sehr schönes Plädoyer: Persönlicher Einsatz für eine bessere Zukunft ist immer richtig. Doch wir alle sollten uns so gut es geht auch mit den politischen und gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen, damit wir gemeinsam die richtigen Entscheidungen für unsere Zukunft treffen können.

Marvin Coböken – once upon a bean

Wussten Sie, dass der durchschnittliche Deutsche 10kg Schokolade im Jahr verzehrt? Nur die Schweitzer essen noch mehr. Marvin kann das bestätigen. Er und seine Freundin Lisa lieben Schokolade. Doch die Tafeln aus dem Supermarkt kann man heute eigentlich nur noch mit zwei zusammen gekniffenden Augen kaufen. Die Kakaopreise sind so erdrückend, dass die Bauern rund um den Äquator gar nicht anders können, als illegal Regenwälder für mehr Anbaufläche zu roden, nur um ihre eigene Existenz zu sichern.

Ihre Beweggründe und Ziele für ihr Startup beschreiben sie auf ihrer Website wie folgt:

„Warum gibt es eigentlich noch nicht so etwas wie Specialty Chocolate? Warum erwische ich mich ständig dabei, anonyme und in Massen hergestellte Schokolade zu essen, von der ich keine Ahnung habe, woher sie kommt und wie sie hergestellt wurde? Es gibt sie! … Bean-to-bar Hersteller*innen nennen sie sich und sie stellen Craft Chocolate her. … Wir wollen die bean-to-bar Bewegung nach Deutschland tragen. Die positiven Werte teilen. Bewusstsein schaffen. Für mehr Fairness & Transparenz in der Schokoladen-Branche sorgen.“

„Once upon a bean“ war geboren, ein Startup, das noch ganz am Anfang steht. Mit Leidenschaft und Inspiration erzählte uns Marvin, wie sie sich auf die Suche nach Herstellern gemacht haben, um eine Plattform für wirklich faire und nachhaltige Schokolade zu schaffen. Nur Hersteller, die im direkten Kontakt zu den Kakaobauern stehen, und damit die konventionelle Lieferkette mit all ihrer Intransparenz umgehen, dürfen auf ihrer Plattform anbieten. Die Kakaopreise liegen beim 2-3fachen des Fair-Trade-Preises oder darüber.

Und eine kleine Erfolgsgeschichte konnte Marvin ebenfalls berichten. Ein niederländischer Hersteller, dem sie den Zugang zu ihrer Plattform verweigern mussten, da er teilweise nicht nachhaltige Zusatzstoffe verwendete, hat nun seinen Herstellungsprozess umgekrempelt, um den Aufnahmebedingungen von „Once upon a bean“ zu entsprechen. „Wir machen also jetzt schon einen Unterschied.“, sagt Marvin und macht damit deutlich, dass auch noch kleine Unternehmen schon Einiges, z.B. in der Lieferkette, bewirken können.

Am Ende der Veranstaltung gab es noch ein geselliges Miteinander und viele interessante Gespräche. Marvin verteilte kleine Schokoladenstücke zum Probieren. Ich habe auch probiert. Das ist diese Schokolade mit so richtig viel Kakaoanteil. Und für mich war der Geschmack unerwartet fruchtig. Aus dem einen Stück schmeckte man Zitrone heraus, aus dem anderen Banane. „Das sind keine Zusatzstoffe, dieser Geschmack kommt aus der Bohne“ erklärte mir Marvin, „das hat mit dem Anbaugebiet und der Art des Anbaus zu tun.“

Wieder was dazugelernt.

Wir danken Enno Schröder, Laura Haverkamp, Marvin Coböken, sowie der Moderatorin Katharina Katz und dem Impact Hub für diesen wundervollen Abend.

Bis dahin, gemeinwohl-orientierte Grüße!

Und ein großes Dankeschön an Max Segelken für diesen Bericht.