Christian Felber in Aachen

Aachen, 13.04.2021

© Thomas Hohenschue

Das Wirtschaften vom Kopf auf die Füße stellen

Der Gedanke der Gemeinwohlökonomie fasst Fuß in Stadt und StädteRegion Aachen – Fachliche Inspiration durch Initiator Christian Felber

Weg vom Gewinnstreben, hin zum Gemeinwohl: Das ist die Richtung, in die eine inzwischen zehn Jahre alte internationale Bewegung die Wirtschaft entwickeln will. Mehr als 3.000 Unternehmen, Einrichtungen und Organisationen machen inzwischen mit. Am 13. April war der Initiator und Inspirator der Gemeinwohlökonomie (GWÖ) zu Gast in der Bischöflichen Akademie Aachen.

Die Aufzeichnung steht unterfolgendem Link weiterhin online:

https://www.youtube.com/watch?v=DREP6pDjFAo (bitte 45 Minuten vorspulen)

Durchweg 450 Frauen und Männer verfolgten den lebendigen Vortrag von Christian Felber, der live im Netz übertragen wurde. Der österreichische Autor und Hochschullehrer skizzierte das wachsende Unbehagen, das einen Großteil der Bevölkerung angesichts des neoliberalen Wirtschaftens befallen habe. Er führte dies auf die negativen Konsequenzen für Mensch, Natur und Klima zurück, die das entfesselte Profitstreben im heutigen Kapitalismus verursache und verstärke.

Mit starkem körperlichem Einsatz verdeutlichte Christian Felber, worum es ihm geht: die Ökonomie wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Das Wirtschaften sei nur ein Mittel, wie das eingesetzte Kapital, und nicht der Zweck, umriss der Referent die Konturen seines wertebasierten Ansatzes. Ziel aller wirtschaftlichen Aktivitäten können nach landläufigem Verständnis, übrigens in allen deutschen Bundes- und Landesverfassungen abgesichert, nur demokratisSichernch legitimierte Zwecke sein.

Sie bündeln sich im Begriff des Gemeinwohls. Der Artikel 14 des Grundgesetzes schreibt die Sozialpflichtigkeit des Eigentums fest. Die aktuelle Ausrichtung vieler Wirtschaftsunternehmen bewertet Christian Felber zugespitzt als verfassungswidrig, weil sie sich nur auf die Maximierung des Gewinns und die Mehrung des Kapitals konzentrierten. Demgegenüber hebt der GWÖ-Ansatz darauf ab, die betrieblichen und organisatorischen Mittel zu Gunsten gemeinnütziger Zwecke einzusetzen.

Die Idee inspiriert immer mehr Menschen und auch Verantwortliche in Unternehmen, Einrichtungen und Kommunen. Ein Drittel der GWÖ-Mitglieder hat bereits eine Bilanz vorgelegt, die transparent, selbstkritisch und umsetzungsorientiert in 20 Themenfeldern benennt, wo man mit Blick auf die nachhaltigen Entwicklungsziele noch besser werden kann. Die Hoffnung, die sich mit diesem Ansatz verbindet, ist die Erwartung, dass sich andere durch das Beispiel inspirieren und anspornen lassen.

Dass diese Graswurzelbewegung tatsächlich Früchte trägt, wurde auch bei diesem Abend in der Bischöflichen Akademie klar. Viele Querverbindungen knüpften und verstärkten sich. Die neue Oberbürgermeisterin für Aachen, Sibylle Keupen, bekannte sich zum wertebasierten Wirtschaften und verkündete, dass sie in ihrem Verantwortungsbereich schauen wird, ob städtische Eigenbetriebe sich gemeinwohlbilanzieren lassen. Davon verspricht sie sich einen neuen Blick auf Entwicklung.

So kann es sein, dass dieser Abend konkrete Früchte trägt. Mut machte auch das Beispiel der ersten gemeinwohlbilanzierten Einrichtung in der StädteRegion Aachen. Das Bildungszentrum Nell-Breuning-Haus in Herzogenrath hat das aufwändige Verfahren durchlaufen. Dem Vorbild möchten wohl andere in der Region folgen. Der Gedanke der Gemeinwohlökonomie fasst Fuß. Die fachliche Vernetzung über die Aachener GWÖ-Regionalgruppe fördert diesen Prozess kräftig.

Die Veranstaltung der Bischöflichen Akademie Aachen fand in Kooperation mit Attac Aachen, Bürgerstiftung Aachen, Evangelisches Bildungswerk, GWÖ-Regionalgruppe Aachen, Institut für Politische Wissenschaft der RWTH Aachen und VHS Aachen statt.