Auf den Spuren der Zukunft: In einem eindrucksvollen Sommertrip durch Nordrhein-Westfalen erkundeten die Abgeordneten Kathrin Henneberger und Gregor Kaiser innovative Projekte und Initiativen, die das Gesicht des Bundeslandes verändern. Tauchen Sie mit uns ein in eine Reise voller Inspiration, Erkenntnisse und Hoffnung, wo Visionen zur Realität werden.

Frau Henneberger, Herr Kaiser, während der NRW-Sommerferien haben Sie sich eine ganze Woche Zeit genommen, um Bürgerinitiativen, Wohnprojekte und Betriebe zu besuchen, die neue Formen des Zusammenlebens und -wirtschaftens in unserem Bundesland vorantreiben. Was war die Motivation dieser Sommerreise?

Als Abgeordnete im Bundes- sowie Landesparlament sehen wir es als unsere Pflicht an, in unserer Region ansprechbar zu sein. Politik wird für Menschen gemacht, für ein gutes und nachhaltiges Miteinander. Im direkten Kontakt mit verschiedenen Gruppen, Projekten und Einzelpersonen lernen wir dabei immer wieder auch selbst, was die Bevölkerung interessiert, was sie von der Politik braucht und welche Regelungen angepasst werden sollten.

Diesen Sommer wollten wir uns speziell mit zukunftsweisenden Projekten umgeben. Bereits umgesetzte Ideen, die nach vorne schauen, in Richtung klimagerechtes und soziales Miteinander – sowie Initiativen von Bürger*innen, die sich für ihre Region einsetzen oder schon wichtige Ziele erreicht haben.

Wichtig ist uns gewesen, Initiativen und Betriebe mit auf der Liste zu haben, die bei ihrem Wirtschaften und Arbeiten nicht nur die planetaren Grenzen, sondern auch das Gemeinwohl im Blick haben, also danach streben, die SDGs zu erfüllen.

Was waren bei Ihrer Reise die wichtigsten Erkenntnisse? Was haben Sie Spannendes und womöglich Überraschendes erlebt?

Kathrin Henneberger: Wir haben viele tolle Projekte besucht, so wie die autofreie Siedlung in Köln, eine Firma für Mieter*innenstrom oder auch ein Moor in der Nähe von Coesfeld, das wieder vernässt wird. Ganz besonders hat mich der Besuch auf der Renaturierungsfläche „Ewald 5“ gefreut. Es ist wirklich schön zu sehen, dass sich Natur auch wieder erholen kann! Dafür braucht es natürlich Fläche und Expertise. Das Unternehmen HeimatErbe betreut genau solche Flächen, entsiegelt sie, forstet sie auf und stellt mit Ökolog*innen sicher, dass sich die Biotope nachhaltig erholen können.

Gregor Kaiser: Eigentlich waren alle Besuche erkenntnisreich und spannend, jeder auf seine Art. Eine Bürgerinitiative hat natürlich ein ganz anderes Ziel als ein gemeinwohl-orientiertes, aber wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen. Alle Orte, die wir besucht haben, machen einen Unterschied und leben von Menschen, die sich weit über das Eigeninteresse hinaus engagieren. Gut haben mir auch die Utopiastadt in Wuppertal sowie die gemeinwohl-zertifizierten Unternehmen Biolandhof Engemann und der Hersteller von biologischer Feinkost Petersilchen gefallen.

Wie wunderbar von so positiven Erfahrungen und zukunftsweisenden Praktiken zu hören! Andererseits haben solche Pioniere ja oft auch gegen viele Widerstände und Hindernisse zu kämpfen. Welchen politischen Handlungsbedarf sind Ihnen bei den Gesprächen und Besuchen bewusst- oder klarer – geworden?

Der Vor-Ort Bezug ist immens wichtig. Gesetze und Maßnahmen gelingen am besten, wenn die Bevölkerung und die Betroffenen mitgenommen werden. Dabei können Prozesse sogar deutlich beschleunigt werden, da so späterer Gegenwind minimiert wird. Vor allem bei konkreten Bauvorhaben wie Autobahnen, oder der Entnahme von Rohstoffen wie Kies und Kohle müssen Anwohnende besser involviert werden.

Auch Förderprogramme entfalten so erst ihre volle Wirkung. Nach wie vor fühlen sich Teile der Bevölkerung nicht vernünftig repräsentiert, mit teilweise extremen Folgen. Mehr Bürger*innen-Beteiligung ist daher auch ein bedeutendes Werkzeug für eine gesunde Demokratie. Und um die Wirksamkeit solcher Förderprogramme zu optimieren und Hürden abzubauen, ist uns noch mal deutlich geworden, wie wichtig es ist, bürokratische Hürden abzubauen und konkrete Beratungen in den Regionen zu verbessern

Wir begrüßen daher auch sehr, dass aktuell auf Bundesebene der Bürger*innen-Rat „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ einberufen wurde. Hier sind wir auf das Gutachten der Teilnehmenden nächstes Jahr im Februar gespannt.

„Es ist wichtig, Pionierbetriebe zu stärken.“

Unter den besuchten Betrieben waren auch etliche gemeinwohl-bilanzierende Unternehmen. Wie kam es dazu, und was ist Ihnen dort besonders aufgefallen?

Gemeinwohl-orientiertes Wirtschaften und Bilanzieren ist ein neuer Weg, alle gesellschaftlichen Kosten in die Bilanz einzuschließen und so ein umfassendes Bild unternehmerischen Handelns zu bekommen. Es geht darum, neue gesellschaftliche Wege zu gehen, die die Notwendigkeit betonen, die planetaren Grenzen einzuhalten. Im Jahr der Halbzeitbilanz der SDGs ist es wichtig, solche Pionierbetriebe zu stärken, sichtbar zu machen und als beispielhaft darzustellen. Denn es erscheint uns notwendig, dass sich mehr Unternehmen bzw. die gesamte Gesellschaft auf den Weg macht, Wohlstand neu zu definieren.

Besonders auffallend bei den gemeinwohl-bilanzierenden Unternehmen ist der ganzheitliche Gedanke. Wir freuen uns, Unternehmer*innen getroffen zu haben, die auf reine Profitmaximierung auf Kosten von Mitarbeitenden oder der Umwelt verzichtet haben.

Welches Resümee ziehen Sie also aus Ihrer Sommerreise? Gibt es nächste Schritte, die Sie ergreifen wollen?

Kathrin Henneberger: Wir wollen auf jeden Fall noch mehr Initiativen und Menschen besuchen! Unser Selbstverständnis ist es nicht nur in Wahlkampfzeiten an Türen zu klopfen, sondern immer das Wohl der Bevölkerung bei unseren Entscheidungen vor Augen zu haben.

Deshalb setzen wir uns auch ein für verschiedenste Förderprogrammen von der Bundesregierung, für Kommunen und das Gemeinwohl ein. Zum Beispiel das „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ vom Umweltministerium, oder die „Nationale Strategie für soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. In den aktuell laufenden Haushaltsverhandlungen setzen wir Grüne uns dafür ein, Investitionen in die Zukunft weiterhin möglich zu machen.

Gregor Kaiser: Im Landtag Nordrhein-Westfalen haben wir vor kurzem einen Nachhaltigkeitsantrag eingebracht. Damit sollen u. a. die NRW-Nachhaltigkeitsstrategie ambitioniert fortgeschrieben und bessere Umsetzungsstrukturen geschaffen werden. Die Verbindlichkeit der Nachhaltigkeitsziele im konkreten Regierungshandeln sollen ressortübergreifend erhöht werden. Vorhandene Governance- und Beteiligungsstrukturen müssen überprüft und weiterentwickelt werden, z. B. indem die jetzige Nachhaltigkeitsprüfung als Instrument der Gesetzesfolgenabschätzung zu einem verpflichtenden Nachhaltigkeits-Check wird.

Darüber hinaus planen wir aktuell eine Fachgesprächs-Reihe im Landtag. Ziel der Veranstaltungsreihe ist es, gemeinsam mit Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik die Handlungsmöglichkeiten der Gemeinwohl-Ökonomie in NRW auszuloten und parlamentarische Hebel auf dem Weg zu einer starken GWÖ in NRW zu identifizieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Claudia Schleicher, zertifizierte Gemeinwohl-Beraterin

Fotos: Kathrin Henneberger