Die Gemeinwohl-Ökonomie Deutschland würdigt die Strategie der Bundesregierung für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen als Meilenstein für Nachhaltigkeit, soziale Innovationen und ethisches Entrepreneurship

Empfehlung: Entwicklung einheitlicher und ganzheitlicher Kriterien für den Begriff „gemeinwohlorientiert“ auf Basis der praxisbewährten Gemeinwohl-Matrix

Berlin, 27. September 2023: Am 13. September 2023 hat die deutsche Bundesregierung die Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Unternehmen verabschiedet. Sieben Leitlinien geben einen Orientierungsrahmen für eine Vielzahl von Maßnahmen in elf Handlungsfeldern. Die Gemeinwohl-Ökonomie Deutschland begrüßt die vorliegende Strategie als Meilenstein für Nachhaltigkeit, soziale Innovationen und ethisches Entrepreneurship und verweist zugleich auf den nun nötigen nächsten Schritt der Definition einheitlicher und ganzheitlicher Kriterien für den Begriff „gemeinwohlorientiert“.

Jutta Hieronymus, Mitglied des Vorstandes und Sprecherin der Gemeinwohl-Ökonomie: „Die Strategie steht und fällt letztendlich mit der Definition des in der Strategie der Bundesregierung bislang noch recht vage umrissenen Begriffes der Gemeinwohlorientierung. Hier bedarf es einer einheitlichen, ganzheitlichen und objektiven Systematik. Die Gemeinwohl-Matrix der Gemeinwohl-Ökonomie bietet eine seit über 10 Jahren in der Praxis erprobte und auf den Werten unserer Verfassung beruhende Lösung für diese Aufgabe. Sie umfasst wirkungsorientierte Kriterien mit klaren Bewertungsmaßstäben, die Vergleichbarkeit und Überprüfbarkeit sicherstellen. Sie kann der Bundesregierung aus dem Stand als Vorlage dienen und damit schnell die gezielte Förderung von Unternehmen ermöglichen, die sich bereits jetzt umfassend sozial, ökologisch und ethisch verantwortlich verhalten. Mit dem Ecogood Business Canvas hat die Gemeinwohl-Ökonomie darüber hinaus ein Instrument entwickelt, das Unternehmen darin unterstützt, bereits in der Gründungsphase soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierung in ihrer DNA zu verankern. Wir bieten der Bundesregierung bei dem nun anstehenden Prozess unsere volle Unterstützung und mehr als ein Jahrzehnt Erfahrung an.“

Die Gemeinwohl-Ökonomie empfiehlt folgende ergänzende Maßnahmen zur vorliegenden Strategie: 

  1. Entwicklung einheitlicher, ganzheitlicher und messbarer Kriterien für den Begriff „gemeinwohlorientiert“ auf Grundlage der praxiserpobten und werteorientierten Gemeinwohl-Matrix
  2. Förderung sozial innovativer und gemeinwohlorientierter Gründungen durch die Verwendung des Ecogood Business Canvas
  3. Knüpfung von Förderinstrumenten aller Art an das Ergebnis quantitativ beziffernder, vergleichbarer und extern geprüfter Instrumente zur sozialen, ökologischen und ethischen Wirkungsmessung, wie zum Beispiel der Gemeinwohl-Bilanz.

Die Gemeinwohl-Ökonomie regt an, grundsätzlich bei allen Unternehmensformen bei der Vergabe von Förderungen und öffentlichen Aufträgen sowie bei der Besteuerung die Wirkung auf Gemeinwohl und Nachhaltigkeit zu berücksichtigen.

Die Gemeinwohl-Ökonomie empfiehlt nachdrücklich, dass die Strategie nicht auf „Soziale Unternehmen nach EU-Definition“ beschränkt bleiben, sondern auf alle gemeinwohlorientierten Unternehmen ausgeweitet werden soll, damit der Begriff „gemeinwohlorientiert“ auch korrekt verwendet wird. Jutta: Hieronymus: „Die Gemeinwohl-Ökonomie setzt sich dafür ein, dass Organisationen und Unternehmen danach ausgerichtet werden, welche positiven Wirkungen sie für Gesellschaft und Umwelt erzielen. Unsere Marktordnung sollte im Ganzen, also nicht nur für soziale Unternehmen, so angepasst werden, dass nicht Profit für wenige, sondern Gemeinwohl für alle im Vordergrund steht und dabei auch unsere ökologischen planetaren Grenzen beachtet werden. Darum halten wir es auch für richtig, dass in den vorliegenden Leitlinien der Begriff „soziale Unternehmen“ ersetzt wurde durch „soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen“. Damit wird die Zielrichtung der Strategie sehr viel klarer, allerdings muss nun auch die Definition dem neuen Namen folgen. Wir halten die Strategie für einen Meilenstein beim Abbau struktureller Benachteiligungen für soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen. Wir regen in diesem Sinn an, Anreize wie Förderungen, Finanzierungen, die Vergabe öffentlicher Aufträge oder die Gewinnbesteuerung für alle Unternehmensformen einheitlich an Kriterien zu knüpfen, die positive Wirkungen auf Gesellschaft und Natur haben. Abschließend möchten wir würdigen, dass die Bundesregierung die Umsetzung und Weiterentwicklung der Strategie als gemeinsamen Lernprozess versteht. Wir sehen dies als Einladung an die Gemeinwohl-Ökonomie und andere Organisationen, im wachsenden Feld der Gemeinwohlorientierung Verantwortung zu übernehmen und bei der weiteren Ausarbeitung der Strategie mitzugestalten.“

Über die Gemeinwohl-Ökonomie

Die weltweit agierende Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung nahm 2010 in Wien ihren Ausgang und basiert auf den Ideen des österreichischen Publizisten Christian Felber. Die GWÖ versteht sich als Wegbereiterin für eine gesellschaftliche Veränderung in Richtung eines verantwortungsbewussten, kooperativen Miteinanders im Rahmen eines ethischen Wirtschaftens. Erfolg wird nicht primär an finanziellen Kennzahlen gemessen, sondern mit dem Gemeinwohl-Produkt für eine Volkswirtschaft, mit der Gemeinwohl-Bilanz für Unternehmen und mit der Gemeinwohl-Prüfung für Investitionen.

Aktuell umfasst die Bewegung weltweit 11.000 Unterstützer*innen, rund 5.000 Mitglieder in über 170 Regionalgruppen, 35 GWÖ-Vereine, über 1000 bilanzierte Unternehmen und andere Organisationen, knapp 60 Gemeinden und Städte sowie 200 Hochschulen weltweit, die die Vision der Gemeinwohl-Ökonomie verbreiten, umsetzen und weiterentwickeln.

An der Universität Valencia wurde 2017 ein GWÖ-Lehrstuhl eingerichtet, in Österreich brachte die Genossenschaft für Gemeinwohl 2019 ein Gemeinwohlkonto auf den Markt, und im Herbst 2020 wurden im Kreis Höxter (DE) die drei ersten Städte gemeinwohlbilanziert. Seit Ende 2018 gibt es den Internationalen GWÖ-Verband mit Sitz in Hamburg. Der EU-Wirtschafts- und Sozialausschuss nahm 2015 eine eigeninitiierte Stellungnahme zur GWÖ mit 86 Prozent Stimmenmehrheit an und empfahl ihre Umsetzung in der EU.

Rückfragen zur Gemeinwohl-Ökonomie

Deutschland | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Sibylle Reuter: press-germany@ecogood.org

International | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Ole Müggenburg: press@ecogood.org